Netzwerk Ottilie Pohl
Das „Netzwerk Ottilie Pohl“ ist ein Zusammenschluss aus engagierten Nachbar*innen und Moabiter Initiativen und Vereinen.
Seit Anfang 2023 treffen sich die Beteiligten regelmäßig, um sich der Sichtbarmachung von Widerständigen und deren Netzwerken in der Zeit des Nationalsozialismus sowie für die Wiederanbringung der Gedenktafel für die Politikerin, Kommunistin und Widerstandskämpferin jüdischer Herkunft Ottilie Pohl zu engagieren. Das Netzwerk verfolgt dabei insbesondere folgende konkrete Ziele:
Wiederanbringung der Gedenktafel für Ottilie Pohl
Wir möchten, dass am letzten Wohnort Ottilie Pohls sichtbar an sie erinnert wird. Nachdem eine frühere Gedenktafel in der Beusselstraße 43 im Zuge einer Sanierung seit längerem verschwunden ist, setzen wir uns aktiv dafür ein, dass an dieser letzten Wohnadresse wieder eine Gedenktafel angebracht wird und dadurch die Erinnerung an Ottilie Pohl wachgehalten wird.
Sichtbarmachung von Widerständigen und deren Netzwerken
Wir möchten an Nachbar*innen erinnern, die sich aktiv gegen die Nationalsozialisten stellten. Unser Ziel ist, mehr Menschen in Moabit auf das mutige Wirken und die Zivilcourage früherer Mitbürger*innen aufmerksam zu machen.
Unser Fokus richtet sich dabei nicht allein auf Ottilie Pohl, sondern auch auf die Gruppe von widerständigen Frauen um Ottilie Pohl und Rosa Lindemann in Moabit. Wir möchten zu ihrem Mut, ihrem Zusammenhalt/Solidarität und ihrem Einfallsreichtum im Kampf gegen den NS-Faschismus forschen, weiter recherchieren und die Ergebnisse sichtbar machen. Der Widerstand der Frauen aus der Arbeiter*innenbewegung und seine besondere Formen sollen herausgearbeitet und die Ergebnisse öffentlich gezeigt werden.
Widerstand als Auftrag für uns heute verstehen
Wir begreifen das Handeln der Widerständigen gegen die Herrschaft des Nationalsozialismus als Verpflichtung auch heute auf faschistische, antidemokratische Bestrebungen und menschenverachtende Politik aufmerksam zu machen und ihr entschieden entgegenzutreten.
Mitmachen
Die Gruppe versteht sich als offenes Netzwerk. Das „Netzwerk Ottilie Pohl“ ist demokratisch, überparteilich und überreligiös. Beteiligt sind Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Parteizugehörigkeit, vor allem aus der Nachbarschaft.
Die Mitglieder sind unter anderem verbunden mit Initiativen und Nachbarschaftseinrichtungen wie dem „Moabiter Ratschlag e.V.“, „Omas gegen Rechts“, dem „Frauenverband Courage“, dem Verein „Sie waren Nachbarn“ sowie dem REFORMATIONS-Campus e.V. .Auch Historikerinnen und historisch Interessierte bringen sich aktiv in das Netzwerk ein.
Alle weiteren interessierten Menschen sind herzlich eingeladen, sich in unser Netzwerk einzubringen und sich in ihm zu engagieren!
Wir treffen uns unregelmäßig ein- bis zweimonatlich (zur Vorbereitung des Aktionsmonats häufiger), zumeist im Nachbarschaftstreff des „Stadtschloss Moabit“, Rostocker Str. 32B
E-Mail-Adresse: netzwerk.ottilie.pohl@gmail.com
Über Ottilie Pohl
Ottilie Pohl war jüdischer Herkunft. Die Kommunistin und Sozialpolitikerin lebte in Moabit. Zuletzt wohnte sie fast 30 Jahre in der Beusselstraße 43, bis sie von dort deportiert wurde.
Während des Nationalsozialismus setzte Ottilie Pohl ihre politische Arbeit kontinuierlich fort und arbeitete mit anderen Sozialistinnen im Widerstand. Ihre illegale Arbeit tarnten die Frauen als „Kaffeekränzchen“ und trafen sich in einer Gartenlaube. Sie unterstützten Verhaftete und ihre Angehörigen, versteckten politische und rassistisch Verfolgte oder verfassten antifaschistische „Streuzettel“, die sie verbreiteten.
Ottilie Pohl wurde 1940 festgenommen und verurteilt. Nach ihrer Entlassung aus dem Frauengefängnis Kantstraße schloss sie sich wieder dem Widerstand an. Am 17. November 1942 holte die Gestapo sie aus ihrer Wohnung in der Beusselstraße 43 ab. Sie wurde ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 2. Dezember 1943 mit 75 Jahren an den Folgen der Lagerumstände. Damit wurde Ottilie Pohl eines von Millionen Opfern des Nationalsozialismus.
Bisherige Aktionen des „Netzwerk Ottilie Pohl“
Mit verschiedenen Aktionen möchten wir Ottilie Pohl und ihren Kampf gegen den NS-Faschismus im Stadtteil Moabit öffentlich sichtbar machen. Folgende Aktionen fanden bereits statt.
Wir beantragten die Verlegung eines Stolpersteins für Ottilie Pohl. Die Verlegung ist für das Frühjahr 2025 vorgesehen.
Kiez-Spaziergang im Rahmen von „Denk mal am Ort“
Bei einem Kiez-Spaziergang im Rahmen von „Denk mal am Ort“ suchten wir Wohnorte Ottilie Pohls auf. Die Historikerin Heike Stange berichtete von ihren Recherchen zu Ottilie Pohl und zeigte Dokumente ihrer Verfolgung.
Aktionsmonat im November 2023
Den Auftakt zum Aktionsmonat bildete die Antifaschistische Gedenkkundgebung zu den Novemberpogromen am9. November am Mahnmal in der Levetzowstraße. Im Rahmen dieser Veranstaltung berichteten wir bei einem Redebeitrag über Ottilie Pohl und ihr Wirken.
Im Rahmen zweier Kiez-Spaziergänge „Frauen in Moabit – Verfolgung und Widerstand im Nationalsozialismus“ gab die Historikerin Trille Schünke-Bettinger anhand biografischer Spuren von Frauen in Moabit einen Überblick über die Vielfalt und Breite des weiblichen Widerstandes gegen das NS-Regime. Hierbei wurde zudem die rechtliche und gesellschaftliche Ausgrenzung von Jüdinnen anhand von Biografien verfolgter Frauen sichtbar gemacht.
Die Spaziergänge fanden im Auftrag des „Mitte Museums“ und in Kooperation mit „Frauentouren“ statt.
Bei der Veranstaltung „Illegal“ in Moabit – Widerständige Frauen und ihre Netzwerke näherten wir uns der Kommunistin und Jüdin Ottilie Pohl, die Widerstand leistete und vom Nationalsozialismus verfolgt und umgebracht wurde. Heike Stange las aus einem unveröffentlichten Bericht Rosa Lindemanns über eine Widerstandsgruppe, der Ottilie Pohl angehörte und die sich als „sooo harmloses Kaffeekränzchen“ tarnte. Trille Schünke berichtet von der Wichtigkeit nachbarschaftlicher Beziehungen und Vertrauen unter den Frauen für ihre Widerstandsarbeit und stellt exemplarisch Widerstandskämpferinnen vor. Anne Hoecker und Marina Hübner erzählt von Mathilde Jacob – ehemalige Sekretärin Rosa Luxemburgs –, ihren Verdiensten um diesen Nachlass und ihre Ermordung im KZ Theresienstadt.
Eine Szenische Lesung in der Dorotheenstädtische Buchhandlung stellte die Frage: Wer waren Otto und Elise Hampel?
Wilhelm Holthus las Fallada-Passagen und Christian Winterstein las aus Gestapo-Akten und anderen Dokumenten zu Elise und Otto Hampel. Das Schicksal dieses Ehepaars war Vorlage für Falladas Roman.
Einen Blick in die Gegenwart wurde in der Refo Moabit geworfen. Bei der Veranstaltung „Wie sind heute Kinder und Jugendliche von Antisemitismus betroffen?“ gab es zahlreiche Diskussionsimpulse und Gespräche mit Rosa Fava, der Leiterin von ju:an – Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit der Amadeu Antonio Stiftung. Den Abschluss des Aktionsmonats bildete eine Gedenk-Aktion anlässlich des 80. Todestages von Ottilie Pohl am2. Dezember 2023. Dabei erinnerte das Netzwerk an Ottilie Pohl an dem Ort an dem sie zuletzt lebte – in der Beusselstraße 43. Im Anschluss an die Aktion im öffentlichen Raum tauschten sich Interessierte Refo Moabit aus.
„Kaffeekränzchen“ beim Ortstermin September 2023
Eine Installation in der Reformationskirche in der Beusselstraße griff das Motto des Kunstfestivals Ortstermin auf: „Gastgeber*innen“. Eine der acht Stationen in der Kirche war „Ottilies
Kaffeekränzchen“. In diesem Rahmen konnten Interessierte an einer gedeckten Kaffeetafel verweilen und sich über Ottilie Pohl und unser Netzwerk informieren.